„Das schaffen wir nur als Gemeinschaftsleistung“

Was können Stadt, Stadtwerke und Bürger tun, um Folgen von Starkregenereignissen abzumildern

Stadtwerkeleiterin Saskia Kirsch und Bürgermeister Marcus Kretschmann sitzen an einem Tisch und schauen sich auf einem Laptop das Schaubild einer Generalentwässerungsplanung für Crumstadt an. An einem großen Wandbildschirm ist dasselbe Schaubild noch einmal zu sehen.
Stadtwerkeleiterin Saskia Kirsch und Bürgermeister Marcus Kretschmann betrachten die Generalentwässerungsplanung für Crumstadt

An derartige Starkregenereignisse, noch dazu gleich zwei innerhalb von zehn Tagen, können sich auch Alteingesessene nicht erinnern: Etwa eine Stunde lang ging am Abend des 16. August im Rhein-Main-Gebiet ein extremes Unwetter nieder, das in allen Stadtteilen Riedstadts für überflutete Keller, Souterrains und Tiefgaragen sorgte. In Goddelau und Philippshospital fielen 47 Liter pro Quadratmeter in der Stunde, in den übrigen Stadtteilen sah es nicht viel besser aus.  

110 Einsätze musste die Freiwillige Feuerwehr Riedstadt bis tief in die Nacht bewältigen. „Ich bin sehr froh, dass wir in Riedstadt so gut aufgestellt sind mit der Freiwilligen Feuerwehr, die ehrenamtlich mit unglaublich viel Engagement zur Hilfe eilt. Ich war auch in der Nacht in der Einsatzzentrale in Erfelden, das hat super funktioniert“, betont Bürgermeister Marcus Kretschmann.  

Bereits in der Nacht zum 26. August folgte dann das nächste Starkregenereignis, das eigentlich das schlimmere Unwetter von beiden war – da es jedoch nur 20 bis 30 Minuten und nicht eine Stunde dauerte, waren die Auswirkungen nicht ganz so gravierend wie beim ersten Ereignis. „Ich habe in 23 Jahren bei der Stadt noch kein derartig flächendeckendes und so lange Zeit andauerndes Starkregenereignis erlebt“, erklärt Stadtwerkeleiterin Saskia Kirsch zu dem extremen Unwetter vom 16. August. Nach dem Starkregenkatalog des Deutschen Wetterdienstes werden beide Ereignisse in die Kategorie eingeordnet, die statistisch nur alle 50 Jahre stattfinden.  

„Die Kanalisation ist auf ein solches Starkregenereignis nicht ausgelegt und kann es auch nicht sein“, verdeutlicht die Stadtwerkeleiterin. Ureigene Aufgabe der Kanalisation sei es, Schmutzwasser zur Kläranlage zu transportieren. Das Regenwasser auf den Straßen werde auch mit abgeführt, was wegen des Abriebs und anderer Schadstoffe auf den Straßen notwendig sei, erläutert Kirsch. Bei größeren Regenfällen gebe es als Zwischenpuffer in allen Stadtteilen Regenrückehaltebecken. Doch auch diese kommen bei solchen Starkregenereignissen naturgemäß an ihre Grenzen.  

Riedstadt verfügt über ein 120 Kilometer langes Hauptkanalnetz, das derzeit auf einen intensiven Bemessungsregen dimensioniert wird, der alle fünf Jahre einmal auftritt – vorgeschrieben ist lediglich eine Dimensionierung auf Regenereignisse, die alle drei Jahre auftreten. „Alle bisherigen grundhaften Sanierungen haben dafür gesorgt, dass die Kanäle größer dimensioniert wurden“, erklärt die Stadtwerkeleiterin und der Bürgermeister ergänzt: „Sonst hätte das Wasser zum Beispiel in der Erfelder Straße mit Sicherheit noch höher gestanden.“ Die Sinkkästen in den Straßen und die gesamte Hauptkanalisation werden routinemäßig zwei Mal im Jahr komplett gereinigt, besonders sensible Bereiche auch vier Mal im Jahr, berichtet Kirsch.  

Doch auch die Hauseigentümer*innen können einiges tun, um die Folgen solcher Starkregenereignisse abzumildern, erklären beide. Die Stadtwerke haben auf ihrer Seite der städtischen Homepage zu dem Thema einige Informationen zusammengestellt, was zum Schutz der eigenen Räumlichkeiten getan werden kann, wie etwa der Einbau von Rückschlagventilen oder die Errichtung von Schwellen und Gefällen. Die Stadtwerke beraten auch gerne.  

„Es geht gar nicht, dass in Leeheim Einsatzkräfte beschimpft werden, die nach Erfelden gerufen werden“, ärgert sich Bürgermeister Kretschmann über einige unangemessene Reaktionen. Die Freiwillige Feuerwehr sei auch nicht dazu da, Kanaldeckel zu öffnen, wie am Abend des 16. August gefordert. Das sei nicht nur sinnlos, weil das Wasser dadurch nicht schneller abfließe, sondern schaffe auch noch neue Gefahrenquellen. Feige seien Menschen, die sich hinter anonymen Schreiben verstecken würden und gar ein Päckchen mit Fäkalien an die Stadtwerkeleiterin geschickt hätten. „Es ist unmöglich, so mit Menschen umzugehen“, betont der Bürgermeister.  

Zum Thema Kanaldeckel warnen Bürgermeister und Stadtwerkeleiterin eindringlich vor den Gefahren bei gefluteten Straßen: Durch den Druck des sich in der Kanalisation stauenden Abwassers können die Abdeckungen angehoben werden und sich durch die Fließgeschwindigkeit des oberirdisch fließenden Wassers verschieben. Wenn nun Menschen durch das Wasser laufen, könnten Sie in die dadurch geöffneten Schächte oder Sinkkästen treten. Das wiederum kann zu erheblichen Verletzungen führen, oder bei tieferen Schächte gar lebensgefährlich werden. „Wenn ich dann auf Videos sehe, wie Anwohner barfuß durch diese überschwemmten Straßen laufen, schüttelt es mich – das ist immer noch verunreinigtes Abwasser, wenn auch stark verdünnt“, weist der Bürgermeister auf einen weiteren Aspekt hin.  

Zwei extreme Unwetter, die statistisch nur alle 50 Jahre hätten auftreten sollen, zeigen überdeutlich, dass sich alle Beteiligten auf veränderte klimatische Bedingen einstellen müssen. „Das schaffen wir nur als Gemeinschaftsleistung von Stadt, den Stadtwerken und den Bürgerinnen und Bürgern“, appelliert Bürgermeister Kretschmann. Eine ganz besondere Rolle spielt dabei auch die Entsiegelung von Flächen, um mehr Versickerungsmöglichkeiten zu schaffen.