Exkursion bis zur „Mutter der Stromtalwiesen“

Auf einer Fahrradtour gibt es viele interessante Informationen über die Renaturierung von Auenwiesen

Mit Landschaftsarchitekt Matthias Harnisch (blaues T-Shirt) und Bürgermeister Marcus Kretschmann (weißes Hemd) ging es zu den Stromtalwiesen.

Wie wohnt und lebt es sich in der Büchnerstadt Riedstadt – unter diesem Aspekt gab es im Rahmen des „Großen-Frankfurter-Bogen-Sommers“ fünf ganz unterschiedliche Veranstaltungen mit Bürgermeister Marcus Kretschmann. Zum Abschluss ging es von der Erfelder Altrheinbrücke aus auf eine Fahrradtour zu den renaturierten Stromtalwiesen auf Erfelder und Leeheimer Gemarkung.  

„Ich freue mich, dass ich heute vor allem Zuhörer bin“, sagte Bürgermeister Kretschmann schmunzelnd zur Begrüßung der rund 20 Teilnehmenden. Denn die vielfältigen Informationen an den fünf Haltepunkten der Radtour übernahm Landschaftsarchitekt Matthias Harnisch von der Fachgruppe Umwelt, der das Stromtalwiesen-Projekt seit den Anfängen vor über 20 Jahren an betreut hat.  

Erster Halt war an den Bruderlöchern, die nach Deichbrüchen durch Hochwasser im 15. oder 16. Jahrhundert entstanden waren. Anhand von Karten zeigte Harnisch die Lage einiger alter Stromtalwiesen sowie der renaturierten Flächen. Mittlerweile sind so auf beiden Seiten des Damms 70 Hektar dieser artenreichen und mittlerweile in ganz Europa sehr selten gewordenen Auenwiesen neu entstanden.  

1983 war nach dem zweiten Hochwasser des Jahres der Sommerdeich auf dem Kühkopf gebrochen. Woraufhin das Land Hessen beschlossen hatte, den Ackerbau auf dem Kühkopf aufzugeben in der Hoffnung, dass dort nicht nur Auenwälder wieder entstehen, sondern auch artenreiche Auenwiesen, wie Harnisch erzählte. Eine Hoffnung, die sich für die Stromtalwiesen so nicht erfüllen sollte, weil gerade die Samen vieler seltener Pflanzen sehr kurzlebig sind und nach den langen Jahren der landwirtschaftlichen Nutzung nicht mehr im Boden vorhanden waren. So blieben die neu entstandenen Wiesen artenarm.  

Am Ende des Lernprozesses stand die Idee, entwickelt von Norbert Hölzel von der Uni Gießen: „Wenn der Samen nicht von alleine kommt, müssen wir ihn halt dahin bringen.“ Also wurde 1997 in einem ersten Projekt Mahdgut von vorhandenen Auenwiesen ausgebracht. „Das war nach wenigen Jahren so erfolgreich, dass dann das große Projekt der Renaturierung gestartet werden konnte. Mittlerweile haben wir so über 70 Hektar Stromtalwiesen wiederherstellen können“, berichtete Harnisch.  

Auch zu diesem ersten kleinen Projekt, der „Mutter der Stromtalwiesen“ ging es auf der Radtour, gelegen noch hinter der Satellitenmessstelle der Bundesnetzagentur in Richtung Pumpwerk Wächterstadt. Hier wurde zum ersten Mal erfolgreich eine artenreiche Stromtalwiese mittels Mahdgutübertragung neu geschaffen. Das war zum Ausgleich notwendig geworden, nachdem durch eine Deichertüchtigung eine Stromtalwiese dem breiteten Deichfuß hatte weichen müssen.  

„Sehen Sie die kleinen Schösslinge? Wenn hier nicht gemäht werden würde, hätten wir hier in kurzer Zeit keine Auenwiese mehr, sondern Wald“, verdeutlichte der Landschaftsarchitekt an Ort und Stelle noch eine weitere Besonderheit: Weil es sich bei Wiesen nicht um eine Naturlandschaft, sondern um eine Kulturlandschaft handelt, können Stromtalwiesen nur erhalten werden, wenn sie ein- bis zwei Mal im Jahr gemäht werden. Das übernehmen Riedstädter Landwirte, die das Heu weiterverwerten.  

An verschiedenen anderen Stellen ging es ebenfalls in die Wiese, zeigte Harnisch Beispiele dieser besonderen Pflanzenwelt, die sich auf die wechselnden Wasserstände in Flussniederungen mit Hochwassern und Trockenheit angepasst hat. Dazu gehört auch der Arzneihaarstrang, einzige Wirtspflanze für die „Haarstrangwurzeleule“, einen europaweit streng geschützten Nachtfalter. Besonders deutlich wurde die derzeitige Trockenheit am Schusterwörther Altrhein – aber auch, dass es selbst bei diesen extremen Bedingungen pflanzliche Gewinner gibt wie Schlammling, Zyperngras und Knöterich, die im trockengefallenen Teil des Flussbetts grünen.  

Am Ende der informativen Fahrradtour gab es viel Applaus für Harnisch. Die Exkursion zu den Stromtalwiesen war die letzte der fünf Veranstaltungen des GFB-Sommers in Riedstadt. Die Landesinitiative „Großer Frankfurter Bogen“ wurde gegründet, um mehr bezahlbaren Wohnraum in der Rhein-Main-Region zu schaffen, angehören können ihr nur Kommunen, die innerhalb von 30 Bahnminuten von Frankfurt liegen. Mit den Veranstaltungen des GFB-Sommers wollten die Mitgliedskommunen besondere Aspekte des Wohnens vor Ort vorstellen, in der Büchnerstadt ging es um Themen wie Stadt- und Gewerbeentwicklung, landwirtschaftliche Vielfalt, Hochwasserschutz und Naherholung.  

"Das große Interesse an unseren fünf Veranstaltungen mit deren großer Themenvielfalt hat mich sehr gefreut. Mir hat es auch großen Spaß gemacht“, zieht Bürgermeister Kretschmann ein positives Fazit und verspricht: „Im nächsten Jahr soll es auf jeden Fall wieder solche Sommerveranstaltungen geben.“