Renaturierung von Stromtalwiesen am hessischen Oberrhein
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Aktuelles
09.06.2021 Drohnen über Stromtalwiesen - Vegetationsentwicklung der artenreichen Auenwiesen wird über drei Jahre wissenschaftlich untersucht
Ein ungewohnter Anblick für die Riedstädter Stromtalwiesen: Über ausgewählten Flächen der renaturierten Auenwiesen fliegt eine riesige Drohne. Was auf den ersten Blick aussieht wie ein simpler, wenn auch großer Modell-Segelflieger, ist in Wirklichkeit ein Hybrid aus Starrflügler und Copter, ausgestattet mit hochwertiger Technik: Auf der Unterseite befindet sich eine Echtfarbenkamera und eine zweite Kamera mit zwei Infrarot-Kanälen.
Gemeinsam mit ihrer kleinen Schwester, einem klassischen Quadrocopter mit einer beweglichen Echtbildkamera, macht sie hochpräzise Fotos und soll genaue Daten über die Vegetationsstruktur und –zusammensetzung sowie das Höhenprofil der Stromtalwiesen liefern. „Wir sind selber sehr gespannt“, sagt Dr. André Große-Stoltenberg vom Institut für Landschaftsökologie und Ressourcenmanagement der Justus-Liebig-Universität Gießen, der bei dieser ersten Befliegung die große Drohne steuert und gemeinsam mit Prof. Till Kleinbecker und Dr. Sarah Harvolk-Schöning das Projekt „Monitoring von naturschutzrelevanten Arten und Renaturierungsmaßnahmen per Fernerkundung (MonA)“ leitet.
Die Untersuchungen der Uni Gießen in Abstimmung mit der Büchnerstadt Riedstadt werden über einen Zeitraum von drei Jahren mit bis zu 111.350 Euro aus dem Hessischen Biodiversitätsforschungsfonds vom Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) gefördert. Unterstützend dazu hatte die Stadt Riedstadt in Kooperation mit dem Institut für Landschaftsökologie und Ressourcenmanagement der JLU bereits im Januar 2020 eine Spende der Fraport AG für eine Fernerkundung der Stromtalwiesen in Höhe von 27.000 Euro erhalten.
Vor über 20 Jahren hat die Stadt in Zusammenarbeit mit örtlichen Landwirten und verschiedenen Fachbehörden begonnen, die extrem selten gewordenen Stromtalwiesen zu renaturieren. Rund 70 Hektar Auenwiesen sind so entstanden, die zu den artenreichsten Lebensräumen in Mitteleuropa gehören. Ein bundesweit beachtetes Projekt, das bereits mehrfach ausgezeichnet wurde.
Die Pflanzenwelt der Stromtalwiesen hat sich perfekt an wechselnde Wasserstände mit Überschwemmungen und trockenen Phasen angepasst. Doch Matthias Harnisch, der bei der Fachgruppe Umwelt der Stadt das Stromtalwiesen-Projekt von Anfang betreut, hat die Beobachtung gemacht, dass nach mehreren extrem trockenen Jahren einige Arten wie die Färberscharte zurückgehen, während sich andere wie der gelb blühende Klappertopf ausbreiten konnten. „Mit den gewonnenen Daten wollen wir ein genaues Bild der Vegetationsentwicklung erhalten. Dafür brauchen wir Befliegungen zu verschiedenen Jahreszeiten und damit verschiedenen Vegetationsphasen über einen längeren Zeitraum“, erklärt Harnisch.
Bei dieser ersten Befliegung kurz vor der ersten Mahd liegt das Hauptaugenmerk auf wichtigen Zielarten wie beispielsweise der Wiesen-Schwertlilie (Iris spuria), die zurzeit blüht. Doktorand Niklas Schepel von der Uni Gießen fliegt den Quadrocopter, dessen Kamera sowohl senkrecht als auch schräg gucken kann und – ebenso wie die Echtbildkamera des Hybriden - gestochen scharfe Bilder mit einer Pixelauflösung von 0,5 Zentimeter macht.
Die große Drohne mit ihren Flügeln von 2,30 Meter Spannweite kann größere Flächen überfliegen, die Thermik nutzen und eine Stunde in der Luft bleiben, während die kleine Drohne nach einer halben Stunde einen neuen Akku braucht. Dank der zweiten Kamera des großen Fliegers mit ihren zwei Infrarotkanälen lässt sich auch sehr genau die Vegetationsdichte ermitteln. Auch Höhenprofile der Stromtalwiesen können mit den Daten der Drohnen erstellt werden.
Flugweg und Fotopunkte werden vor jedem Flug mit einer Software festgelegt und die Fotos später am Computer zusammengesetzt. „Wir haben eine spezielle Software zur Auswertung und müssen zunächst den Algorithmus trainieren“, erklärt Große-Stoltenberg. Bei den Drohnenflügen müssen verschiedene Vorgaben eingehalten werden. So mussten einige Flächen wegen Bodenbrütern ausgespart und ein Mindestabstand von 1,5 Kilometern zum Flugplatz Oppenheim eingehalten werden. Im August sollen dann das nächste Mal die beiden Drohnen zum Einsatz kommen.
21.01.2020:
Riedstadt erhält weitere Fördermittel aus dem Fraport-Umweltfonds zur Erforschung der Stromtalwiesen.
Wie wirken sich der Klimawandel und die extrem trockenen Sommer der letzten Jahre auf die Stromtalwiesen aus, die zu den artenreichsten Lebensräumen in Mitteleuropa gehören und deren Pflanzen perfekt auf die wechselnden Wasserstände mit regelmäßigen Überflutungen der Auenlandschaft eingestellt sind?
Diese Frage bewegt in der Büchnerstadt Riedstadt insbesondere Matthias Harnisch, Leiter des Stromtalwiesenprojekts, in dem die Stadt in Zusammenarbeit mit der Justus-Liebig-Universität Gießen und dem Land Hesssen seit 1997 in rheinnahen Gebieten von Riedstadt-Erfelden und Riedstadt-Leeheim mittlerweile rund 70 Hektar der extrem selten gewordenen und europaweit geschützten Auenwiesen renaturiert hat. „Sorgen macht uns vor allem das Sinken des Grundwasserspiegels“, erklärte Harnisch bei einem Termin im Riedstädter Rathaus.
Dorthin war Sebastian Linzbauer vom Umweltfond der Fraport AG gekommen, um einen Scheck in Höhe von 27.000 Euro zu überreichen. Mit dem Fördergeld sollen in Zusammenarbeit mit der Uni Gießen die Auswirkungen des Klimawandels auf die Stromtalwiesen wissenschaftlich untersucht werden. Mit den modernsten technischen Mitteln der Fernerkundung sollen in wiederholten Drohnenbefliegungen über einen längeren Zeitraum die Vegetationsentwicklung auf den Stromtalwiesen dokumentiert werden.
„Wir mussten lernen, dass Drohne nicht gleich Drohne ist“, erzählte Bürgermeister Kretschmann schmunzelnd aus dem Anfangsstadium der Projektentwicklung. Denn für eine fundierte wissenschaftliche Untersuchung werden hochaufgelöste Daten benötigt, muss die Drohne nicht nur genaue Daten über die Vegetation liefern, sondern auch hochpräzise kartieren, erklärte Professor Dr. Till Kleinebecker vom Institut für Landschaftsökologie und Ressourcenmanagement der Uni Gießen. Die von dem Institut eingesetzte Drohne verfügt nicht nur über zwei Kameras, sondern kann neben dem Helikopterantrieb auch durch Flügel in den Gleitflug gehen und so deutlich länger in der Luft bleiben. Die Drohne hat eine Flügelspannweite von zwei Metern. „Dafür brauchen Sie einen Drohnen-Führerschein, den bei uns mittlerweile fünf Mitarbeiter gemacht haben“, berichtet Kleinebecker. „Ein Flug ist ja schick, bringt aber nicht viel“, sagte Harnisch. Denn um aussagekräftig eine Entwicklung erkennen zu können, müssen über einen längeren Zeitraum mehrere Flüge absolviert und ausgewertet werden. Angedacht sind vier Flüge im Jahr über drei Jahre, was zusammen mit der Auswertung mit 115.000 Euro zu Buche schlagen würde.
Harnisch ist zuversichtlich, nun auch noch weitere Fördergelder einwerben zu können. Schließlich ist das Riedstädter Stromtalwiesen-Projekt eines der wenigen Langzeit-renaturierungsprojete in deutschland und bereits mehrfach ausgezeichnet worden, unter anderem 2018 vom Bündnis Kommunen für biologische Vielfalt als "Naturschutzprojekt des Jahres 2018" (siehe Seite des Bündnis Kommunen für biologische Vielfalt) und 2019 als „Offizielles Projekt der UN-Dekade Biologische Vielfalt“ (siehe unten).
26. März 2019:
Das Riedstädter Stromtalwiesenprojekt ist am 26.3.2019 als "Offizielles Projekt der UN-Dekade biologische Vielfalt" ausgezeichnet worden. Bürgermeister Kretschmann begrüßte die rund 40 erschienen Gäste und Pressevertreter im Riedstädter Rathaus Goddelau, bevor er fast 20 Jahre Stromtalwiesenrenaturierung in Riedstadt Revue passieren ließ und den zahlreichen am Projekt beteiligten Stellen und Personen dankte. Der Riedstädter Projektleiter Matthias Harnisch stellte danach den Lebensraum "Stromtalwiese" vor und gab einen Überblick über die durchgeführten Renaturierungsmaßnahmen. In der daraufolgenden Laudatio stellte Prof. Dr. Eckhard Jedicke von der Hochschule Geisenheim insbesonde die Langfristigkeit des Projekts und die hier gelungene Verbindung von Naturschutz und Landwirtschaft heraus. Professor Jedicke wies zudem darauf hin, dass Riedstadt als Gründungsmitglied des Bündnisses "Kommunen für biologische Viefalt" beispielhaft zeige, dass es gerade die Kommunen sind, die auf Ihrer Fläche viel für den Erhalt und die Förderung der biologischen Vielfalt tun können.
Anschließend überreichte Herr Dr. Christian Hey vom Hessischen Umweltministerium Bürgermeister Marcus Kretschmann und Projektleiter Matthias Harnisch die Auszeichnungsurkunde. Dr. Hey unterstrich dabei, dass Riedstadt lange bevor der Begriff "biologische Vielfalt" einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden ist, bereits mit der Förderung dieser Vielfalt begonnen hatte. Zudem gebe es viele Übereinstimmungen zwischen Riedstadt, das sich seit langem die Förderung der biologische Vielfalt verschrieben habe, mit den Zielen der Biodiversitätsstrategie in Hessen.
Weitere Informationen zur UN-Dekade biologische Vielfalt finden Sie unter www.undekade-biologischevielfalt.de.
18/20.12.2018: Auspflanzung seltener Stromtalpflanzen auf Renaturierungsflächen in Riedstadt-Erfelden und Biebesheim
Im Rahmen des Projektes „Erhaltungskulturen heimischer Wildpflanzenarten“ haben sich Botanische Gärten in ganz Deutschland zusammen getan, um seltene Wildpflanzenarten aus Samen anzuziehen und dann wieder an geeigneten Wildstandorten auszupflanzen. Daran beteiligt ist auch der Botanische Garten in Frankfurt, der unter anderem 130 Exemplare der seltenen Wiesen-Schwertlilie (Iris spuria) aus Samen angezogen hat, die auf Flächen am hessischen Oberrhein gesammelt wurden. Für 50 dieser Pflanzen wurden nun Standorte für die Auspflanzung gesucht und in Abstimmung mit dem Leiter des Riedstädter Stromtalwiesenprojekts, Matthias Harnisch, auch gefunden. 21 Schwertlilien wurden kurz vor den Weihnachtsfeiertagen auf einer bisher eher artenarmen Wiese in der Gewann „Nachtweide“ westlich des Bensheimerhofs auf einer Fläche der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON) gesetzt. Ergänzt wurde diese Pflanzung durch das Setzen von 130 Pflanzen der Färberscharte (Serratula tinctoria) sowie 110 Pflanzen des Weidenblättrigen Alants (Inula salicina), die vom Gärtner der Justus-Liebig-Universität Gießen im Rahmen des Stromtalwiesenprojekts aus hiesigem Samenmaterial angezogen wurden. Die Beteiligten erhoffen sich durch diese Auspflanzung einen Initialeffekt und eine Erhöhung des Artenreichtums auf dieser Wiese. Eine weitere Pflanzung erfolgte danach auf einer zwei Hektar großen neuen Renaturierungsfläche in Biebesheim. Dort wurden neben Iris spuria mehrere hundert Exemplare der Färberscharte, des Weidenblättrigen Alants sowie des Kantenlauchs (Allium angulosum) gesetzt. Ziel der Ausweitung von Renaturierungsmaßnahmen über Riedstadt hinaus nach Biebesheim ist es, Stromtalwiesen mit ihrem einzigartigen Arteninventar wieder in einem größeren Areal am hessischen Oberrhein anzusiedeln - und damit der Gefahr einer Zerstörung dieser auf der höchsten Gefährdungsstufe der Biotoptypen stehenden Stromtalwiesen entgegenzuwirken. Stromtalwiesen sind nach der Roten Liste der Biotoptypen der Bundesrepublik Deutschland „akut von vollständiger Vernichtung bedroht" (Gefährdungsstufe 1). Diese Auspflanzung seltener Pflanzenarten unterstützt und ergänzt die im Rahmen des Projektes Stromtalwiesen durchgeführten Maßnahmen zur Herstellung artenreicher Stromtalwiesen.
06.03.2018:
Das Bündnis „Kommunen für biologische Vielfalt“ hat das Riedstädter Renaturierungsprojekt zur Wiederherstellung seltener Stromtalwiesen mit dem Titel „Naturschutzprojekt des Jahres 2018“ ausgezeichnet. Der Titel, den Riedstadt zusammen mit einem Schülerprojekt der Stadt Karlsruhe verliehen bekam, ist mit einem Einkaufsgutschein einer bekannten Saatgutfirma im Wert von 1.000 Euro verbunden. Die Auszeichnung erfolgte im Rahmen eines Wettbewerbs, mit dem das Bündnis alle zwei Jahre vorbildliches Engagement seiner Mitglieder in Sachen Naturschutz honoriert. Insgesamt hatten 47 Institutionen Projekte eingereicht.
Kreative Grünflächenämter, die naturnah wirtschaften, Maßnahmen zum Schutz für seltene Tier- und Pflanzenarten durchführen oder Umweltbildungsangebote zur Stärkung des öffentlichen Bewusstseins zur Bedeutung der biologischen Vielfalt anbieten: Städte und Gemeinden spielen angesichts ihrer umfassenden Aufgaben in Planung, Verwaltung und Politik eine wichtige Rolle beim Erhalt der biologischen Vielfalt. Mit dem Naturschutzprojekt des Jahres honoriert das Bündnis Kommunen, die dieser Verantwortung auf besonders vorbildliche Weise gerecht werden.
„Mit Umweltbildungsangeboten für Kinder sowie Naturschutzmaßnahmen auf landwirtschaftlichen Flächen veranschaulichen die ausgezeichneten Projekte aus Karlsruhe und Riedstadt, wie sich kommunale Handlungsspielräume effektiv zur Förderung der biologischen Vielfalt nutzen lassen.“ begründet Robert Spreter, Geschäftsführer des Bündnisses die Auszeichnung.
Im Rahmen des Projekts „Schüler/innen erleben Naturschutz“ vermittelt die Stadt Karlsruhe Viertklässlern seit 2004 Umweltwissen in Kombination mit Naturerfahrung.
In Riedstadt wurden seit 2000 rund 70 Hektar Stromtalwiesen neu geschaffen. Solche Auenwiesen mit natürlicher Überflutungsdynamik sind besonders artenreich. Für die Anlage der Flächen wurde Mahdgut alter Stromtalwiesen aus benachbarten Naturschutzgebieten verwendet. Die Pflege durch Mahd und Beweidung erfolgt durch örtliche Landwirte und wird in entsprechenden Pachtverträgen geregelt.
„37 neu angesiedelte Rote-Liste-Arten sowie eine große Nachfrage seitens der Landwirte zeigen uns, dass die Kombination aus Flächennutzung und Naturschutz auch wirtschaftlich attraktiv ist – eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten“, freut sich Bürgermeister Marcus Kretschmann gemeinsam mit Projektleiter Matthias Harnisch.
Ausführliche Projektbeschreibungen sowie Bilder zu den Projekten sind unter www.kommbio.de/projekte/naturschutzprojekt zu finden.
Das Foto wurde uns freundlicherweise von Katrin Anders, Stadt Wernigerode, zur Verfügung gestellt. Es zeigt (von links) Robert Spreter, Geschäftsführer des Bündnisses „Kommunen für biologische Vielfalt e.V.“, Matthias Harnisch, Projektleiter Stromtalwiesen Riedstadt, Peter Gaffert, Bürgermeister von Wernigerode, bis zur Tagung Vorsitzender des Bündnisses „Kommunen für biologische Vielfalt e.V.“ sowie Ernst Rieger von der Rieger und Hoffmann GmbH.
7. - 9. Juni 2017: Eine zehnköpfige Delegation des britischen Floodplain Meadows Partnerships (Auenwiesen Partnerschaft, siehe: http://www.floodplainmeadows.org.uk/) unter Leitung von Professor David Gowing hat die Stromtalwiesen am hessischen Oberrhein besucht.
Im Zentrum des Interesses standen dabei die in Leeheim, Erfelden und auf dem Kühkopf vorkommenden äußerst artenreichen alten Stromtalwiesen sowie die in Riedstadt seit dem Jahr 2000 (mit einer Pilotmaßnahme im Jahr 1997) durchgeführten großflächigen Auenwiesen-Renaturierungsmaßnahmen.
Auf dem Programm standen neben den Wiesen auch ein kurzer Empfang beim Riedstädter Bürgermeister Markus Kretschmann im Rathaus in Goddelau sowie der Besuch des Kühkopf-Informationszentrums und der alten und seit 1983 neu entstandenen Auwälder auf dem Kühkopf.
Zum Abschluss des Besuchs fuhr die Gruppe ins stromaufwärts gelegene Lampertheim, wo die zusammen mit den Vorkommen in Riedstadt am besten ausgeprägten alten Stromtalwiesen am hessischen Oberrhein zu finden sind. Dort konnten auch gerade erst im letzten Herbst durchgeführte Renaturierungsmaßnahmen zur Neuanlage von Stromtalwiesen und eines Auwaldes angeschaut werden.
Die Gruppe wurde vom Riedstädter Projektleiter Matthias Harnisch – der auch die Organisation des Besuchs übernommen hatte - und von Professor Norbert Hölzel von der Universität Münster geführt. Ergänzend steuerte Ralph Baumgärtel auf dem Kühkopf sein großes Fachwissen bei, während in Lampertheim der dortige Projektleiter Alexander Ochmann die Renaturierungsmaßnahmen erläuterte.
Die englischen Besucher zeigten sich tief beeindruckt von der Vielfalt der Landschaft inmitten des Ballungsraums Rhein-Main-Neckar und dem Artenreichtum und den vielfältigen Ausprägungen der Stromtalwiesen am hessischen Oberrhein. Je nach Höhenlage – und der dadurch bedingten Überflutungshäufigkeit – finden sich feuchtere und trockenere Wiesen, die sich durch ein ganz spezifisches Arteninventar auszeichnen, wobei die Übergänge fließend sein können. So sind beispielsweise auf den Riedstädter Wiesen aufgrund des niedrigen Grundwasserstands und der – mit Ausnahme des Sommerhochwassers 2013 – fehlenden Überschwemmungen derzeit sichtbar die Pflanzen im Aufwind, die trockenere Standorte bevorzugen. Damit konnten die englischen Besucher auch direkt eines der Grundmerkmale der Landschaft am hessischen Oberrhein sichtbar erleben, nämlich die starken Wasserstandsschwankungen, die bis zu 7 m Unterschied zwischen dem Höchststand des Rheins und dem niedrigsten Stand ausmachen können – und dementsprechend zu einer sehr hohen Dynamik in den Lebensräumen am Fluss führen. Es wird hier von einem sogenannten Ziehharmonika-Effekt gesprochen: In trockenen Jahren dringen Trockenheit liebende bzw. tolerierende Arten in tiefer gelegene, potentiell feuchtere Bereiche vor, in feuchten Jahren ist es umgekehrt. Diese Dynamik wird noch dadurch verstärkt, dass die Hochwasser am Rhein weder regelmäßig noch immer in der gleichen Jahreszeit auftreten.
Im Gegensatz dazu sind die in England vorkommenden Stromtalwiesen in der Regel durch einen höheren und stabileren Grundwasserpegel und durch verlässlicher und regelmäßiger auftretende Hochwasserereignisse geprägt. So waren die englischen Fachleute äußerst erstaunt darüber, dass in Riedstadt Stromtalwiesen auf Flächen vorkommen, bei denen der Grundwasserstand wie derzeit auf mehr als 3 m unter Geländeoberkante fallen kann. Dementsprechend ist die Artenzusammensetzung auf den hiesigen Wiesen insgesamt vielfältiger als auf vergleichbaren englischen Flächen, da sich auf den Wiesen am Rhein Arten finden, die sowohl temporäre Überflutungen wie auch starke Trockenheit aushalten müssen.
Die Besuchergruppe aus England zeigte sich zudem tief beeindruckt über den Umfang und den Erfolg der in Riedstadt seit 20 Jahren durchgeführten Stromtalwiesen-Renaturierungsmaßnahmen. Der Riedstädter Projektleiter Matthias Harnisch hatte die Führung so konzipiert, dass die Besucher neben den alten Stromtalwiesen in den Naturschutzgebieten, die als Ausgangsflächen für die Renaturierungsmaßnahmen dienen, sämtlich Stadien der neuen Wiesen von den ältesten, vor 20 Jahren neu angelegten bis zu den jüngsten Renaturierungsflächen aus dem Jahr 2015 und 2016 ansehen konnten.
Auch hier zeigen sich gravierende Unterschiede zu den Verhältnissen in England, die in diesem Fall aber eher administrative Aspekte betreffen: In England sind die meisten Naturschutzflächen in Privateigentum. Dadurch ist ein deutlich höherer Verhandlungsaufwand für die Durchführung von Naturschutzmaßnahmen notwendig und alle Vereinbarungen müssen vertraglich geregelt werden – und bei jedem Eigentümerwechsel muss neu ausgehandelt werden, wie die naturschutzwürdigen Flächen gesichert werden und wie diese Sicherung finanziert wird. Vor diesem Hintergrund - und sicherlich auch vor dem Hintergrund des Brexit, der von den englischen Naturschützern als große Bedrohung wahrgenommen wird, da weitergehende rechtliche Rahmenbedingungen der EU aber auch erhebliche Finanzierungsmöglichkeiten wegbrechen – erschien den englischen Besuchern die Situation hier fast paradiesisch, da der weitaus überwiegende Teil der Naturschutzflächen im Besitz der öffentlichen Hand – und damit stärker gesichert - ist.
Nach drei sehr intensiven Tagen kehrten die Besucher aus England dann mit sehr vielen Eindrücken zurück auf die Insel.
9./10.05.2017: Der Projektleiter für die Riedstädter Stromtalwiesen, Matthias Harnisch, nahm auf Einladung des britischen „Floodplain Meadow Partnerships“ („Auenwiesen Partnerschaft“) am 9. und 10. Mai an der Konferenz „Floodplain meadows for the future“ („Auenwiesen für die Zukunft“) im nordenglischen York teil. Dort stellte er in einem Vortrag vor 130 Teilnehmern das Riedstädter Stromtalwiesenprojekt vor und besichtigte mehrere Auenwiesen in der Region.
Das Floodplain Meadow Partnership (FMP) ist eine Dachorganisation für alle, die in England und Wales mit Auenwiesenschutz beschäftigt sind. Koordiniert wird die Arbeit des FMP von der Open University in Milton Keynes unter Leitung von Professor David Gowing. Das FMP sammelt an zentraler Stelle alle ökologisch relevanten Daten wie die Vegetationszusammensetzung der Wiesen, Wasserhaushalt, Bodenverhältnisse usw. und stellt diese Daten für die weitere Forschung, aber auch für den praktischen Naturschutz vor Ort zur Verfügung.
Es besteht schon seit längerer Zeit ein fachlicher Austausch zwischen den in Riedstadt mit dem Stromtalwiesenschutz und deren Renaturierung befassten Personen und den englischen Kollegen. Dieser Austausch wird im Juni dieses Jahres weiter vertieft, wenn eine zehnköpfige Delegation des FMP nach Riedstadt kommen wird, um die hiesigen Stromtalwiesen zu besuchen.
Weitere Informationen siehe: http://www.floodplainmeadows.org.uk
Das Foto stammt von Dr. Michael Dodd und zeigt (von links) Matthias Harnisch, Professor David Gowing (Project director FMP), Emma Rothero (Outreach coordinator FMP) und Dr. Irina Tatarenko (Open University Milton Keynes).
Oktober 2015: Auf einer knapp 1 Hektar großen Fläche vorm Hahnesand in der Gemarkung Erfelden wurde im Oktober Mahdgut von artenreichen Spenderstromtalwiesen aufgebracht. Die Gesamtfläche der im Rahmen der verschiedenen Stromtalwiesenprojekte neu angelegten bzw. renaturierten Stromtalwiesen beläuft sich damit auf 72 Hektar.
Oktober 2014: Fortsetzung der Renaturierungsmaßnahmen: Eine über 2 Hektar große Fläche östlich des Naturschutzgebietes "Riedwiesen von Wächterstadt" konnte mit hochwertigem Spendermahdgut aus umliegenden alten Stromtalwiesen bestückt werden.
20. Mai - 12. Juni 2014: Vegetationskundliche Erfolgskontrolle auf den Riedstädter Stromtalwiesen: Die Kartierungsarbeiten wurden von der Botanikerin Dr. Dorota Michalska-Hejduk durchgeführt. Die Erfolgskontrolle zeigt, dass die Riedstädter Renaturierungsmaßnahmen sehr erfolgreich waren und die neuen Wiesen äußerst artenreich sind und dabei eine Vielzahl an geschützten und gefährdeten Arten aufweisen. Eine Zusammenfassung der ersten Ergebnisse findet sich hier.
7. April 2014: Die Fraport AG fördert das Riedstädter Stromtalwiesenprojekt nach 2005 und 2010 bereits zum dritten Mal aus ihrem Umweltfonds. Die neuen Mittel in Höhe von 10.000 Euro dienen zweckgebunden der Erfolgskontrolle auf den neuen Stromtalwiesenflächen in Erfelden und Leeheim und wurden der Stadt vom Vorstandsvorsitzenden der Fraport AG, Herr Dr. Stefan Schulte, am 7. April 2014 übergeben.
20. Februar 2014: Erscheinungstermin des Fachbuchs „Verwendung von Mahdgut zur Renaturierung von Auengrünland“, das der Leiter des städtischen Stromtalwiesenprojektes Matthias Harnisch zusammen mit den Projektbetreuern der Justus-Liebig-Universität Gießen verfasst hat. Das Buch wird vom renommierten Ulmer Verlag in Stuttgart herausgegeben. In das Buch sind die langjährigen Erfahrungen, die die Autoren mit der Renaturierung von Stromtalwiesen in Riedstadt gemacht haben, eingeflossen. Leseprobe und Bestellmöglichkeit beim Ulmer-Verlag hier.
7. März 2013: Neu: Flyer Stromtalwiesen (Geopark Bergstraße Odenwald / Stadt Riedstadt), hier herunterladen (pdf)
5. März 2013: Bei einem Fachbesuch informierte sich die georgische Umweltministerin Khatuna Gogaladze auch über das Riedstädter Stromtalwiesenprojekt:
Die georgische Umweltministerin, Frau Khatuna Gogaladze, hat vom 3. bis 8. März 2013 Deutschland besucht. Sie wurde dabei von einer zehnköpfigen Delegation aus Parlamentariern und Fachleuten begleitet. Ziel der von der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH, Eschborn, organisierten Reise war es, den Gästen einen Einblick in die deutsche Agrar-, Forst- und Naturschutzpolitik zu geben. Weiterhin wurden Fragen des technischen Umweltschutzes, insbesondere die Thematik Wasser/Abwasser, Luftreinhaltung und Abfallentsorgung behandelt. Die GIZ unterstützt im Auftrag der deutschen Bundesregierung Georgien seit 2007 bei der Umsetzung seiner Umwelt- und Naturschutzpolitik.
Im Rahmen dieser Reise hat die georgische Delegation am 5. März 2013 auch im Hessischen Ried Halt gemacht. Das Naturschutzgebiet Kühkopf-Knoblochsaue, das von Revierförster Ralph Baumgärtel vorgestellt wurde, und die Riedstädter Stromtalwiesen standen im Mittelpunkt des Interesses. Die Verbindung von Landwirtschaft und Naturschutzbelangen stellt auch in Georgien eine Herausforderung dar.
Auf dem Programm stand am 5. März zunächst von 14.00 – 16.00 Uhr ein Vortrag im Kulturzentrum Faselstall in Biebesheim, in dem der Riedstädter Projektleiter Matthias Harnisch und Dr. Tobias Donath von der Justus-Liebig-Universität Gießen das Auenwiesen-Renaturierungsprojekt erläuterten. Danach folgte eine Exkursion zu ausgewählten Stromtalwiesen im Naturschutzgebiet Kühkopf-Knoblochsaue und in Erfelden.
Abgerundet wurde der Besuch dann mit einem gemeinsamen Abendessen in Biebesheim, zu dem Bürgermeister Thomas Schell die Gäste begrüßte.
Wanderweg zu den Stromtal-Auenwiesen
Gemeinsam mit dem Geopark Bergstraße-Odenwald hat die Stadt Riedstadt einen Wanderweg zu den Stromtal-Auenwiesen in Leeheim und Erfelden konzipiert. Dieser Weg wurde im Juni 2008 eingeweiht und steht seitdem der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung. Auf 9 km Weglänge können die Besucher anhand von 10 Erläuterungstafeln die Besonderheiten dieses Wiesentyps sowie die Maßnahmen zu seinem Schutz kennen lernen. Ausgangspunkt des Wanderweges ist bei Tafel 1 am Parkplatz Rheindeich in Höhe der Telekom-Satellitenüberwachungsstation (Verlängerung der Schusterwörthstraße in Leeheim, Richtung Rhein). Der Rundweg führt von hier aus entlang des Rheindeiches zum Naturschutzgebiet Bruderlöcher und von dort aus weiter über die Naturschutzgebiete Michelried und Riedwiesen von Wächterstadt zurück zum Ausgangspunkt. Sie können eine Übersichtskarte als PDF herunterladen.
Weitere Informationen zum Weg finden Sie auch auf den Seiten des Geoparks Bergstraße-Odenwald.
Ansprechpartner bei der Stadt Riedstadt:
Matthias Harnisch
Stellvertretender Fachgruppenleiter, Projektleitung "Stromtalwiesen", Grünflächenmanagement, Baumkataster
Raum: 302 (3. Stock)
Telefon: 06158 181-322
Telefax: 06158 181-100
E-Mail:m.harnisch@riedstadt.de
Texte und Fotografien, wo nicht anders gekennzeichnet:
© Matthias Harnisch, Stadt Riedstadt
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