„Mein Bruder Georg“

Büchnerpreisträgerin Emine Sevgi Özdamar begeistert bei ihrem Besuch in der Büchnerstadt Riedstadt

Emine Sevgi Özdamar mit einem Bild Georg Büchners im Büchnerhaus.
Emine Sevgi Özdamar blättert mit Ehemann Karl Kneidl in einer Biografie.
BFS-Vorsitzender Werner Schmidt, Emine Sevgi Özdamar und Büchnerhausleiter Peter Brunner vor dem Büchnerhaus (von links).
Oliver Kai Müller, Mélanie Linzer, Christian Suhr und Aylin Kekec in einer Spielszene von "Karagöz in Alamania".
Büchnerpreisträgerin Emine Sevgi Özdamar bei ihrer Lesung in der BüchnerBühne.

„Mein Bruder Georg Büchner“ – so hatte die Büchnerpreisträgerin Emine Sevgi Özdamar im Oktober 2022 in ihrer bewegenden Dankesrede den Namensgeber der Auszeichnung genannt, die als der renommierteste Literaturpreis im deutschsprachigen Raum gilt. Eine Verbindung, die auch beim Besuch der Büchnerpreisträgerin in der Büchnerstadt Riedstadt deutlich wurde.  

Die türkisch-deutsche Schriftstellerin, Schauspielerin und Theaterregisseurin nahm sich am Donnerstag, 16. Februar, vor ihrer abendlichen Lesung in der BüchnerBühne viel Zeit für eine Besichtigung des Geburtshauses Georg Büchners.

Mit dem Vorsitzenden des Vereins „BüchnerFindetStatt“ (BFS) Werner Schmidt, dem Büchnerhausleiter Peter Brunner und ehrenamtlichen Mitgliedern des Vereins traf sie sich zum Gedankenaustausch in der Kunstgalerie am Büchnerhaus, bevor sie und ihr Ehemann sich von Brunner durch die Dauerausstellung zu Leben und Wirken Georg Büchners und seiner Familie führen ließen. Fasziniert blätterte sie in den einzelnen Biografien dieser außerordentlichen Familie und hatte besondere Freude an den vielen Büchner-Zitaten, die auf raumhohen, beweglichen Tafeln präsentiert werden.  

Am Abend dann war die Vorfreude auf die Lesung in der seit Wochen ausverkauften BüchnerBühne deutlich spürbar. Kein Wunder, wie Bürgermeister Marcus Kretschmann in seiner Begrüßung erklärte. War doch die so lieb gewonnene Tradition, dass die aktuellen Büchnerpreisträger*innen in der Büchnerstadt lesen, durch die Pandemie drei lange Jahre unterbrochen worden.  

Bevor Özdamar am Lesepult Platz nahm, konnte sie es sich erst einmal auf einem Sofa am Rand der Bühne bequem machen: Ensemblemitglieder der BüchnerBühne überraschten die Autorin mit einer Spielszene aus ihrem ersten Theaterstück „Karagöz in Alamania“.  

Dann wurde es mucksmäuschenstill in dem vollen Theatersaal, als Özdamar aus ihrem autobiografisch geprägten Roman „Ein von Schatten begrenzter Raum“ las. Verarbeitet sie doch in einer bild- und szenengewaltigen Sprache ihre Erfahrungen, als sie nach dem Militärputsch von 1971 aus Istanbul nach Deutschland floh.

Ausgestattet nur mit einem zeitlich begrenzten Touristenvisum, ohne festen Wohnort und Arbeit, kann sie als Regieassistentin beim Brecht-Weggefährten Benno Besson an der Volksbühne in Ost-Berlin arbeiten, folgt ihm für eine Brecht-Inszenierung nach Paris und Avignon und kehrt schließlich wieder nach Deutschland zurück.  

Eindrücklich schildert die Autorin das Gefühl des künstlerischen Aufbruchs im Nachkriegseuropa, in dieser „Pause der Hölle“, in der für kurze Zeit alles möglich schien, zugleich aber auch das Gefühl der Heimatlosigkeit und Verlassenheit. So las sie auch diese Stelle: „Wenn man von seinem eigenen Land einmal weggegangen ist, dann kommt man in keinem neuen Land mehr an. Dann werden nur manche besondere Menschen dein Land.“