Ein neues Banner am Riedstädter Rathaus verkündet „Riedstadt ist bunt. Für Demokratie. Gegen Extremismus.“ Das Bild, das am frühen Freitagabend der Riedstädter Rathausplatz bot, entsprach aufs Schönste dieser Aussage. Auf bunten, oft selbst gemalten Schildern, waren Sprüche zu lesen wie „Dem Guten das Herz, dem Bösen die Stirn“, „Gegen Menschenverachtung. Für Freiheit und Gleichberechtigung“, „Omas gegen rechts“ und „Bunt ist die schönste Farbe“.
Auf Initiative des Vereins BüchnerFindetStatt (BFS) hat sich in Riedstadt ein breites Aktionsbündnis aus zahlreichen Vereinen, Parteien, christlichen Kirchengemeinden, muslimischen Glaubensgemeinschaften und der Büchnerstadt Riedstadt gebildet und hatte unter dem Motto „Nie wieder ist jetzt“ zu der Kundgebung auf dem Rathausplatz eingeladen. Rund 600 Menschen waren dem Aufruf gefolgt, um ein Zeichen zu setzen gegen Faschismus und für Demokratie, Vielfalt und Menschenrechte.
„Diese Bestrebungen, dieses Gedankengut und vor allem diese Leute gilt es mit allen demokratischen Mitteln zu bekämpfen“, erklärte BFS-Vorsitzender Werner Schmidt mit Blick auf die Vorgänge in Potsdam, als nach Recherchen des Medienhauses Correktiv bei einem Treffen von Rechtsextremisten im November 2023 ein „Masterplan“ zur Deportation von Menschen mit Migrationshintergrund, auch solcher mit deutscher Staatsbürgerschaft, besprochen worden war. „Georg Büchner, der große Sohn unserer Stadt, war ein Kämpfer gegen Unterdrückung und für Gedankenfreiheit“, sagte Schmidt weiter und fuhr fort: „Dies sollte uns Aufforderung, Pflicht und tägliches Handeln sein.“ Denn auch heute seien Demokratie und Menschenwürde nicht selbstverständlich.
„Drei Millionen Menschen sind in den letzten Wochen und Monaten gegen die offen rechtsradikalen Tendenzen in unserem Land auf die Straße gegangen. Das ist die größte Protestbewegung, die es in Deutschland je gab“, erklärte Bürgermeister Marcus Kretschmann in seiner Ansprache und betonte: „Ich freue mich, dass nun Riedstadt die größte Protestbewegung in unserem Land mit bereichert.“
Aus seiner Sicht stehe die Demokratie an einem Scheideweg, die beste aller Regierungsformen sei auf dem Rückzug. Die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland „wäre nicht nur für jeden fühlenden Menschen eine Katastrophe. Das wäre auch eine Katastrophe für unseren Staat, für unsere Wirtschaft, für unsere Kultur, für unser gesellschaftliches Leben insgesamt“, so der Bürgermeister weiter. Demgegenüber müsse sich „die laute Mehrheit“ nicht nur an diesem Tag stark machen für die Demokratie. „Die Demokratie ist nichts Bequemes, bei der man das Gestalten denen ‚da oben‘ überlassen soll und kann. Demokratie lebt vom Mitmachen, Mitdiskutieren, vom Einmischen“, appellierte Bürgermeister Kretschmann an die Menschenmenge.
Die Schülerinnen Shana, Hania, Sevde und Cecilia der Martin-Niemöller-Schule beeindruckten die Menschen tief mit ihrer Schilderung von Verfolgung und Leid, verbunden mit der Aussage: „ich bin froh, hier zu leben, ohne Angst und mit Hoffnung.“
Pfarrer Jürgen Bode erzählte von der 79jährigen Berlinerin Mensah-Schramm, die seit 40 Jahren rechtsradikale Aufkleber und Graffiti abkratze und übersprühe. „Jedes einzelne Tun bringt etwas – pro Mensch, pro Gemeinschaft, pro demokratische Werte“, folgerte er. Von diesem Platz gehe ein starkes Zeichen und eine Haltung aus, die auch in den Alltag integriert werden solle. „Hinsehen, Hingehen, Unterstützen, Dranbleiben“, forderte Pfarrer Bode, „Herz statt Hetze“.
Musikalische begleitet wurde die Kundgebung von der Bläser-Klasse der MNS, unterstützt vom Musikverein Goddelau. Am Ende der Veranstaltung erstrahlte ein Lichtermeer aus Mobiltelefonen und Taschenlampen und sangen die Menschen auf dem Rathausplatz das von Sieghard Werle angestimmte Lied „We shall overcome“.