Lebensgemeinschaft Stromtalwiesen / Tierwelt

Autor: Dr. Klaus Handke, Ganderkesee

Stromtalauenwiesen gehören zu den am stärksten gefährdeten und zoologisch artenreichsten Lebensräumen Mitteleuropas. Viele der dort lebenden Tierarten sind an die regelmäßigen Überschwemmungen angepasst und kommen nur in extensiv genutzten Flächen vor.

In der Stadt Riedstadt wird im Rahmen des Stromtalwiesen-Renaturierungsprojektes seit 2001 die Fauna dieses Lebensraumes erstmals systematisch untersucht. Bisher wurden hier u.a. 74 Vogel-, 5 Amphibien- und 2 Reptilienarten beobachtet, ferner 40 Tagfalter- und Widderchen-, 20 Heuschrecken-, 124 Laufkäfer- 123 Rüsselkäfer- und 155 Wanzenarten festgestellt. Darunter finden sich viele seltenere Arten, wie z. B. Kiebitz (Rote Liste BRD: 3, Rote Liste Hessen: 2), Knoblauchkröte (BRD: 3, Hessen: 2), Kammmolch (BRD: 3, Hessen: 2), Lauch- (BRD: 2, Hessen: 1) und Sumpfschrecke (BRD: 2, Hessen: 3), Maulwurfsgrille (BRD: V), Schwarzblauer Ameisen-Bläuling (BRD: 3, Hessen: 3) oder Esparsetten-Widderchen (Hessen: 3).

Gefährdungsstufen der Roten Liste BRD:
0: ausgestorben oder verschollen / 1: vom Aussterben bedroht / 2: stark gefährtdet / 3: gefährdet / R: extrem selten / G: Gefährdung anzunehmen / V: zurückgehend, Arten der Vorwarnliste

Gefährdungstufen der Roten Liste Hessen:
0: ausgestorben oder verschollen / 1: vom Aussterben bedroht / 2: stark gefährtdet / 3: gefährdet / V: Arten der Vorwarnliste                                 

Insgesamt konnten über 110 gefährdete Tierarten nachgewiesen werden. Einige Arten wurden erstmals für Hessen, eine Art sogar erstmals für die Bundesrepublik registriert. Eine Tiergruppe mit besonders vielen seltenen Arten von Stromtalauenwiesen sind die Laufkäfer, die hervorragend an die unregelmäßigen Überschwemmungen dieses Lebensraumes angepasst sind und trockenfallende Flächen schnell besiedeln können. Sie bewohnen überwiegend den Boden der Auenwiesen.

Für viele Tierarten ist ein Mosaik aus früh und spät gemähten Flächen optimal. Einige Arten, insbesondere unter den Schmetterlingen, können sich nur in den Stromtalauenwiesen entwickeln, die spät im Jahr (August/September) gemäht werden. Ein früher Schnitt führt zur Vernichtung der Raupen und Eier. Auch viele Laubheuschrecken, die auffällige Wespenspinne und auf bestimmte Nahrungspflanzen spezialisierte Wanzen und Käfer finden sich überwiegend in den spät gemähten Flächen. Feldheuschrecken und viele Laufkäfer bevorzugen hingegen die mindestens zweimal geschnittenen Flächen.

Auf ehemaligen Acker- und intensiv genutzten Grünlandflächen in der Umgebung alter Stromtalwiesen werden im Rahmen des Projektes neue Stromtalwiesen angelegt (siehe Renaturierungsverfahren). Die faunistischen Untersuchungen belegen, dass viele auentypische Arten diese Flächen besiedeln, wenn die Standorte regelmäßig überschwemmt werden. So findet man hier die seltene Lauchschrecke (BRD: stark gefährdet, Hessen: vom Aussterben bedroht), eine Charakterart der Auenwiesen, die am Oberrhein ihre nördliche Verbreitungsgrenze erreicht, viele charakteristische Laufkäfer und den auffälligen Schwalbenschwanz (BRD und Hessen: Vorwarnliste). Vor allem ausbreitungstüchtige Tierarten unter den Laufkäfern und Schmetterlingen besiedeln schnell die neu angelegten Flächen. Länger brauchen Tiere, die nicht fliegen können oder Spezialisten unter den Tagfaltern, Wanzen und Käfern, die sich nur an bestimmten Pflanzenarten entwickeln.

Erst die weiteren Untersuchungen werden zeigen, ob es gelingt, in einem Zeitraum von fünf bis zehn Jahren auf ehemals intensiv genutzten Flächen typische Lebensgemeinschaften "alter" Standorte dauerhaft anzusiedeln. Da die "neuen" Flächen aber häufig in der Nähe "alter" Wiesen, die als Ausbreitungszentren dienen, liegen, sind die Chancen einer Ansiedlung durchaus optimistisch zu beurteilen.

Nachfolgend einige Fotos:

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